Rückblick 14. Karlsruher Gespräche
Organisierte Kriminalität – Schattenseiten der Globalisierung
Die Organisierte Kriminalität wird als ein globales Problem geschildert, ist aber auch als lokales Phänomen zu definieren, das Teil unseres Alltags geworden ist. Die Referentinnen und Referenten der 14. Karlsruher Gespräche vom 5. bis 7. Februar verdeutlichten die Brisanz des Themas, das eine größere Rolle in der Gesellschaft spielt als vielfach angenommen.
Die Bedeutung des Themas spiegelte sich in der regen Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit und nationalen Presse wider; der enorme Besucherandrang überstieg sogar die Kapazitäten verfügbarer Plätze der Veranstaltungssäle.
Der leitende Oberstaatsanwalt der Anti-Mafia-Direktion in Palermo, Roberto Scarpinato, eröffnete seine Festrede am Freitagabend mit den Worten: „Das dritte Jahrtausend ist gekennzeichnet durch die Aus-breitung eines globalen Virus, das die Demokratien der Welt von innen zerfrisst. Und dieses Virus ist die Organisierte Kriminalität.“ Demnach floriere die Kriminalität, weil Millionen von Bürgern illegale Güter und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Meist können kriminelle Gruppen in schwachen Demokratien mehr Macht aufbauen als in gefestigten Staaten. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass in jedem Staat und in jeder Gesellschaft Organisierte Kriminalität zu finden ist. „Das Ende des Kommunismus und die Entstehung der Globalisierung führten zu einer Destabilisierung des Makrosystems, wodurch die Wirtschaft intransparent und zur unkontrollierbaren, transnationalen Macht wurde“, so Scarpinato.
Die in Venedig arbeitende Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski teilte die Beobachtung, dass in Deutschland zu wenig über die Verflechtung von Mafia und Gesellschaft berichtet werde. Trotz der von der Mafia in Deutschland betriebenen Geldwäsche glauben viele Bürgerinnen und Bürger, das Problem liege nur in Italien. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Friedrich Schneider vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Linz bestätigte die Geldwäsche als eine international durchgeführte Kernaktivität der Organisierten Kriminalität, da die kriminellen Akteure über liquide Mittel verfügen müssen, um erfolgreich zu sein.
Der ehemalige Erste Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus erklärte den Handel mit der „Ware“ Frau von Ost- nach Westeuropa und ihre sexuelle Ausbeutung als ein großes europäisches Problem, bei dem Deutschland eines der bedeutsamsten Zielländer darstellt. Die eingeschleppten Frauen seien von Anfang an „Gefangene einer Subkultur im Rotlicht – einer Parallelgesellschaft mit eigenen Wertvorstel-lungen und Gesetzen, eigenen Richtern und Henkern“. Betroffene Frauen lernen die Gesetze dieses Milieus und die drastischen Strafen bei „Verrat“ schnell kennen. Deshalb gehen sie alle „freiwillig“ der Prostitution nach, wenn sie gefragt werden. Prof. Dr. Alessandra Dino von der Fakultät für Erziehungs-wissenschaften an der Universität Palermo zeigte auf, dass Frauen durchaus auch auf der anderen Seite stehen und in kriminellen Organisationen oft die verlässlichsten Akteure sind. Ihre bedeutende Rolle wird von der Öffentlichkeit meist nicht als unmittelbare Macht wahrgenommen.
Zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind laut Prof. Dr. James Finckenauer, Fakultät für Straf-justiz, Rutgers – The State University of New Jersey, spezielle Werkzeuge notwendig, die sich von den Maßnahmen gegen individuelle Straftaten unterscheiden. Und Prof. Dr. Cyrille Fijnaut von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tilburg hob die Möglichkeiten auf lokaler und nationa-ler Ebene durch eine starke Verwaltung, Polizeikraft und starke Rechts- und Steuerbehörden zur Ein-dämmung des organisierten Verbrechens hervor. Angesichts der grenzüberschreitenden Aktivitäten krimineller Gruppen seien außerdem Körperschaften wie Interpol oder Europol äußerst wichtig bei der Verfolgung und Aufklärung. Alberto Andreani von der OSZE gab zu bedenken: „Die Bekämpfung von illegalem Handel muss flächendeckend und multi-dimensional sein. Notwendig ist eine gesteigerte stra-tegische Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren.“
Die bei den Karlsruher Gesprächen mittlerweile etablierte ARTE Filmnacht war dieses Jahr besonders erfolgreich. Viele vor allem junge Leute konnten sich durch Dokumentarfilme einen Eindruck von den Machenschaften und Auswirkungen der global vernetzten Organisierten Kriminalität verschaffen, sich aber auch einen mehrfach prämierten Spielfilm zu Gemüte führen. Aufgrund der großen Besucherzahl wurden die Filme in einem zweiten Saal übertragen. Unser Dank gilt der Sparda-Bank Baden-Württemberg eG und ihrer Stiftung Kunst und Kultur, der Stadt Karlsruhe, der IHK Karlsruhe, dem ZKM | Karlsruhe, dem Fernsehsender ARTE sowie dem Badischen Staatstheater für ihre Unterstützung und Kooperation.