Es scheint als bestünde in unserer heutigen Gesellschaft ein gestiegener 'Ethik-Bedarf': Es gibt heute kaum noch einen gesellschaftspolitischen Bereich, der ohne eine Ethikkommission auskommt. Der Wunsch nach einer unbestechlichen, überparteilichen Instanz, wächst, die darüber befindet, was in Bereichen, in denen ständig neue Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten entstehen, als moralisch geboten, verboten oder erlaubt gelten darf. Früher erwartete man solche Kriterien von den Religionen, heute von der Ethik. Wie geht die Ethik dabei vor? Ist sie mit diesen hohen Erwartungen nicht überfordert? Durch Globalisierung, immer neue Entwicklungen im Bereich der Biotechnik und den Medien wird der Mensch vor immer neue ethische Herausforderungen gestellt. Befasste sich die traditionelle Ethik in der Vergangenheit überwiegend mit der Frage nach dem "höchsten Gut", dem "richtigen Handeln" und der Frage nach der "Freiheit des Willens" sind es heute größtenteils folgende Fragen, die aus ethischer Sicht behandelt werden: Wann beginnt das Leben? Was genau ist die Würde des Menschen? Wie kann ein gerechtes Wirtschaftssystem aussehen und was bedeutet Ethik in der Wissenschaft?
Gerade die Wissenschaft stellt die Menschheit vor große Probleme und ethische Dilemmata. Der Ursprung der Wissenschaft liegt im Streben, die Lage des Menschen zu verbessern. Im Laufe der Geschichte musste jedoch immer wieder festgestellt werden, dass der Fortschritt selbst zum Problem geworden ist. Stichworte wie die Zerstörung und Ausbeutung der Umwelt, Atomwissenschaft und Massenvernichtungswaffen, Gentechnik und Globalisierung, stellen nur einige Schwierigkeiten dar. In einer zunehmend säkularen Gesellschaft, in der Individualisierung groß geschrieben wird, scheint es als finde ein stetiger Verfall von Werten statt. Doch ist dies wirklich der Fall oder sind vielmehr die Herausforderungen an das ethisch-moralische Denken und Handeln gestiegen? Und wie kann die Vermittlung von Werten diesen schwierigen Aufgaben gerecht werden? Im Sommersemester befasst sich das Colloquium mit diesen und weiteren spannenden Fragen der heutigen Ethik.
Konzept und wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Gründungsdirektorin des ZAK
Organisation: Dipl.-Angl. Christine Melcher