Europäische Kulturtage 2014
Prof. Dr. Wolfram H.-P. Thiemann
Giftgas und das Janusgesicht der Wissenschaft. Das Beispiel des Chemie-Nobelpreisträgers Fritz Haber im Ersten Weltkrieg |
Curriculum Vitae
Prof. Dr. rer. nat. Wolfram H.-P. Thiemann wurde 1938 in Oppeln, Schlesien geboren. Er studierte Chemie an der LMU München und der Wesleyan University Middletown/Conn, USA. Sein Diplom im Fachbereich Chemie erlangte er 1963 an der FU Berlin. 1966 promovierte er zum Dr. rer. nat. über ein kernchemisches Thema am HMI und TU Berlin.
1976 nahm er einen Ruf als Professor für Physikalische Chemie an der Universität Bremen an. Er hatte zahlreiche Forschungs- und Lehraufträge in den USA, Indien, VR China, Vietnam, Ägypten, Brasilien, Japan, Malaysien, Indonesien, Südkorea.
Seine Hauptforschungstätigkeiten lagen im Bereich Wasserqualität (Trink-, Brauch-, Oberflächen-, Schwimmbadwasser), Neue Wasseraufbearbeitungstechnologien mit physikalischen Methoden, Alternativen zur gesundheitsschädlich bedenklichen Chlorung, Entstehung von Leben auf der Erde und außerhalb derselben, Ursprung der Homochiralität, Suche nach Lebensspuren im Weltall (u. a. Co-Investigator in der ESA-Kometen-Mission ROSETTA/PHILAE u. a. Projekte für die Mars-Exploration).
Er erforschte die Exposition des Menschen durch Umweltschadstoffe, und hier auch der Wirkung von kriegswichtigen Giftstoffen auf betroffene Menschen.
Im Jahr 2003 erfolgte die Emeritierung, er ist aber weiterhin an der Universität wissenschaftlich tätig.
Prof. Dr. rer. nat. Wolfram H.-P. Thiemann ist Autor von über 300 wissenschaftlichen Beiträgen in Fachzeitschriften und 3 Büchern, Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften, wie GDCh, (zeitweise mit Unterbrechung) Bunsengesellschaft, International Society for the Study of Origins of Life, Koordinator von mehrjährigen regen internationalen Universitätspartnerschaften wie mit der University Pune in Indien und University of Maryland, USA.
Abstract
Giftgas und das Janusgesicht der Wissenschaft.
Das Beispiel des Chemie-Nobelpreisträgers Fritz Haber im Ersten Weltkrieg
Heute, fast genau 100 Jahre nach Entfesselung des Ersten Weltkriegs, im Jahre 2014, stellt sich wieder einmal unerwartet und schockierend die elende Frage nach dem Einsatz des mörderischen Giftgases als Mittel zur Erreichung militärischer Ziele, sowohl in moralischem Sinne als auch als technisches und nach seiner Effizienz zu hinterfragendes Instrument zur Kriegsführung.
Traurigerweise gilt der deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Fritz Haber als Erfinder des Giftgas-Einsatzes an der Front. Es soll hier zu klären versucht werden, ob erstens diese pauschal erhobene Behauptung so stimmt, ob zweitens – wenn das denn zuträfe – dann Fritz Haber auch noch heute als schwer belasteter „Kriegsverbrecher“ bezeichnet werden könnte und ob drittens es der Menschheit je gelingen könnte, den Einsatz von Giftgasen als Waffe endgültig von der Erde zu verbannen. Zweifel daran sind durchaus angebracht, zeigt doch gerade der Fall Syrien wieder einmal, dass trotz international großer Erfolge hinsichtlich der Ächtung des Einsatzes von Giftstoffen in feierlich zelebrierten Verträgen, der Einsatz solcher verabscheuungswürdiger Waffen überhaupt nicht verhindert werden kann. Und wenn es denn irgendwann tatsächlich gelänge, dieses spezielle Waffenarsenal, das in manchen düsteren Speichern offenbar bis heute heimlich gebunkert ist, endgültig zu vernichten, dann gibt es mit Sicherheit alsbald noch schlimmer wirkende, noch effektivere Waffen, welche geeignet sind, einzelne Menschen oder massenhaft auftretende Menschen gezielt zu vernichten, so ist ja wohl der Gesamttitel dieser Veranstaltung hier „Immer noch: Krieg! Vom Giftgas zur Drohne“ zu verstehen.
Was bleibt für uns Lebende zu tun? „Erinnern für die Zukunft“, - darum geht es, die Schattenseiten des naturwissenschaftlich-technischen Fortschritts näher zu beleuchten…sollte man potentiell immer effektiver tödlich wirkende Techniken veröffent-lichen oder lieber geheim halten, um ihren Missbrauch zu verhindern, damit sie nicht in die falschen Hände gelangen könnten? Und der „Fall Fritz Haber“? Berührt er uns heute noch? Ich denke ja, es gibt ein berühmtes „Fritz-Haber-Institut“, das Flaggschiff der hoch gerühmten und ehrwürdigen Max-Planck-Gesellschaft, in Berlin. Wäre es nicht an der Zeit, diesen Namen zu streichen, eingedenk der schrecklichen Bedeutung des Namengebers, - und stattdessen in Berlin-Dahlem ganz schlicht wie überall sonst in Deutschland, das Institut einfach „Max-Planck-Institut für Physikalische Chemie und…“ zu benennen? Oder wie wäre es, statt das Institut mit dem Namen Fritz Haber zu schmücken, den Namen seiner Frau Clara Immerwahr als Aushängeschild zu verwenden, einer Frau, einer ebenfalls hervorragenden, aber von der damaligen herrschenden Männergesellschaft unterdrückten Wissenschaftlerin, die aus Protest gegen die Forschertätigkeit ihres Mannes im Namen der deutschen Wehrmacht lieber den Freitod (den sie mit der Dienstpistole ihres Mannes beging) wählte?
Mein Freund und Kollege Dieter Wöhrle und ich haben eine Webseite mit einem Aufruf zur Umbenennung des Fritz-Haber-Instituts in Berlin geschaltet, sie ist unter www.fritz-haber-und-cwaffen.de zu finden.