Karlsruher Gespräche 2012

„Alles in (Un-)Ordnung? Neue Unübersichtlichkeiten in einer globalisierten Welt“

Shimon Stein 

Referent

 

Zygmunt Bauman

 

H. E. Shimon Stein, 1948 in Israel geboren, wurde 1974 Mitglied des Israelischen Außenministeriums und war als leitender Analyst am Zentrum für Politische Forschung dort tätig, wobei seine Schwerpunkte politisch-militärische Zusammenhänge, transatlantische Beziehungen, die europäische Integration und die europäischen Auslandsbeziehungen waren. Von 1980 bis 1985 war er an der Israelischen Botschaft in Bonn als Berater für politische Beziehungen aktiv. Als Mitglied der israelischen Delegation war Shimon Stein an der CSCE-Konferenz 1984 beteiligt. Ab 1985 war er leitender Direktor der Nordamerika-Abteilung des Israelischen Außenministeriums in Jerusalem und von 1986 bis 1988 stellvertretender Direktor des Israelischen Außenministeriums. Anschließend ging er bis 1993 als Ministerialberater an die Israelische Botschaft in Washington D.C. Von 1993 bis 1997 war Shimon Stein Minister für Abrüstung und Waffenkontrolle am Außenministerium in Jerusalem. Als Israelischer Botschafter führte in sein Weg schließlich von 2001 bis 2007 nach Deutschland, wo er Kontakte zur politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Elite Deutschlands aufbaute und pflegte. Seit 2007 ist er als internationaler Berater tätig, lehrte von 2009 bis 2010 als Gastprofessor an der Universität Jena und ist seit 2009 Fellow des Institutes für nationale Sicherheitsstudien an der Universität Tel Aviv.

 

Das ZAK bat Shimon Stein, folgende Fragen zu beantworten:


1. Ist unser Bedürfnis nach Sicherheit gewachsen oder hat sich lediglich unsere Wahrnehmung von Unsicherheit verändert?

Individuen wie Gesellschaften hatten, haben und werden ein Bedürfnis nach Sicherheit haben. Das liegt in der Natur des Menschen. Was sich ändert, ist zunächst die Realität und mit ihr die Wahrnehmung der sich verändernden Realität (dabei ist die Wahrnehmung viel wichtiger als die „Realität“, denn sie ist am Ende die Referenz für die Politik). In der Tat hat sich die Wahrnehmung unserer unmittelbaren wie auch der generellen Lage verändert und mit ihr das Gefühl der Unsicherheit. Zweifelsohne trägt dazu die Globalisierung und mit ihr die wachsende Interdependenz bei. Die finanzökonomische Lage, die soziale Situation, die Angst vor dem sozialen Abstieg, die Ohnmacht der Einzelnen gegenüber den Institutionen, die Naturkatastrophen (eine Folge der von uns angerichteten Umweltschäden), der Terror etc. tragen zum Gefühl der Unsicherheit bei. Eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Wahrnehmung spielen die Medien, die uns (des Öfteren in einer oberflächlichen und undifferenzierten Art und Weise) ständig mit bad news konfrontieren und damit unser Gefühl der Unsicherheit noch steigern. Zusammenfassend und „objektiv“ betrachtet ist unser Bedürfnis nach Sicherheit gewachsen, weil die Lage komplexer geworden ist und mit ihr die Gefühle der Unsicherheit, Ratlosigkeit und Ohnmacht gewachsen sind.


2. Sollten angesichts der derzeitigen Krisenlage mehr Entscheidungskompetenzen auf die europäischen Institutionen/Organe verlagert werden?

Sollte die Krise die Mitgliedsstaaten zu einem engeren Zusammenrücken bzw. zur Vollendung der Integration in Form einer fiskalisch-politischen Union bewegen, dann wird man zwangsläufig die Entscheidungskompetenzen an die Institutionen wie die Kommission und das Europäische Parlament abgeben müssen. Ob diese Option die bevorzugte sein wird, bleibt abzuwarten. Eins ist klar: die Fortsetzung des Status Quo ist keine Alternative, um den Weg aus der Krise zu meistern.