Abstracts der Referenten
Prof. Khaled Fouad Allam
Rom und die Frage des Multikulturalismus: Focus Islam
Prof. Khaled Fouad Allam
Die Frage des Multikulturalismus ist wahrscheinlich eines der heikelsten Probleme der Gegenwart, welches von der Gesellschaft reflektiert und gelöst werden muss. Vor allem die Fragestellungen des Islam stellen die Mehrheit der europäischen Länder, insbesondere die Metropolregionen, vor neue Herausforderungen der Integration. Vor dem Hintergrund dieser sozialen, kulturellen und religiösen Spannungen und in Anbetracht der Zuspitzungen der Ereignisse seit dem 11. September 2001 scheint es notwendig, die Rolle des Islam in Europa neu zu analysieren und zu definieren. Das Problem unserer Städte, sei es Rom oder Paris, liegt in der Beziehung zwischen Kulturvielfalt und sozialem Zusammenhalt in unseren Demokratien. Heute blockieren die symbolischen Grenzen, welche sich durch kulturelle, religiöse und sprachliche Register definieren, die Lösungsansätze dieser Probleme. Der gegenwärtigen Politik mangelt es an Verständnis für diese kulturellen Wechselwirkungen. Sie sollte die Entwicklungen zu einer zunehmenden Vielfalt der Kulturen jedoch stärker berücksichtigen und ein neuartiges Modell für ein europäisches Gemeinschaftsleben mitentwickeln. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Entgrenzungen der Kulturen für jede Einzelne unverzichtbar sind, denn ohne ein Zusammentreffen mit Anderen verzichten sie auf einen bedeutenden Bestandteil ihrer Existenz.
Prof. emer. Eleonora Barbieri Masini
Rom heute: Soziale Veränderungen und mögliche zukünftige Entwicklungen. Anzeichen für Europa
Prof. emer. Eleonora Barbieri Masini
Roms soziale Entwicklungen in den verschiedenen historischen Epochen, angefangen in der Antike, sind nicht nur aus historischer Sicht sehr interessant, sondern dienen auch als wertvolle Indikatoren für ein grundlegendes Verständnis des heutigen Roms und dessen Entwicklung in der Zukunft. Zweifellos hatte Rom durch die verschiedenen zeitlichen Perioden hindurch einen besonderen Einfluss auf Europa und den Rest der Welt, der auch heute noch von großer Bedeutung ist. Im Zentrum der Betrachtung stehen soziale Veränderungen und Entwicklungen der römischen Geschichte, die den sukzessiven Wandel Roms immens beeinflusst haben. Eine genaue Analyse des sozialen Wandels gilt als Indikator des heutigen und zukünftigen Einflusses Roms auf Europa. Innerhalb dieses historischen und sozialen Kontextes sollen die Samen des Wandels als Grundlagen und Indikatoren für die Zukunft der Stadt und ihren möglichen Einfluss auf Europa dargestellt werden.
Prof. Sergio Belardinelli
Die italienisch-bürgerliche Kultur zwischen Universalismus und Partikularismus
Prof. Sergio Belardinelli
Die zunehmende Entgrenzung zwischen Völkern und Kulturen führt zu der aktuellen Auseinandersetzung mit Fragen der Identität und dem friedlichen Gemeinschaftsleben. Die starke Verwurzelung der italienischen Kultur im katholischen und römischen Universalismus und die als typisch italienisch geltenden Tugenden – Fröhlichkeit, Skepsis, Erfindungsgabe und Nachgiebigkeit – zusammen mit den engen Familienverhältnissen wie dem im Vergleich zu anderen Ländern stärker ausgeprägten sozialen Gefüge, können bei der Auseinandersetzung sicherlich positiv ins Gewicht fallen. Allerdings ist die Grenze zwischen diesen Tugenden und den italienischen Mängeln – Misstrauen, Gaunerei, Zynismus, Vetternwirtschaft – oft kaum noch wahrnehmbar. Um dem Problem der sozialen Integration in einer Epoche der Abwanderung entgegenzuwirken, bedarf es der Fähigkeit Universalismus und Partikularismus zu vereinbaren. Auch wenn es schwer scheint dieses Zusammenspiel von Universalismus und Partikularismus im zivilen wie institutionellen Bereich zu verfestigen, ist die Fähigkeit dazu in Italien sicherlich vorhanden.
Prof. Dr. Vittoria Borsò
„Eine Welt zwar bist Du, oh Rom, doch…“ – Rom heute: Imaginäre Metropole und Raum transkultureller Dynamik
Prof. Dr. Vittoria Borsò
Als Hauptstadt Italiens ist Rom eine imaginäre Metropole. Die Stadt ist eine Projektionsfläche der nicht zuletzt in der Blütezeit des italienischen Films international gewordenen Sehnsüchte und ist natürlich ein prominenter Erinnerungsort abendländischer Kulturen. Genau dieser imaginäre Status macht die Internationalität der Stadt aus. Denn das reale Rom hat vielleicht den Sprung in die moderne Metropole nicht ganz erreicht, noch weniger den in eine Global City. Eine Transformation als Metropole des Weltmarktes passt auch nicht richtig zu den Archiven der Kunst oder zur barocken Architektur, die mit den Szenarien des ewigen Roms die Signatur der Stadt ausmachen. Doch gerade in ihrem imaginären Status und als Ziel weltweit Reisender ist Rom ein ausgezeichnetes Observatorium für die unterschiedlichen kulturellen Praktiken der Gegenwart: Die derjenigen, die Identitäten und Differenzen zuschreiben (etwa der sog. deutschen Bilder Italiens, auf die das Goethe-Zitat im Titel verweist), aber auch die Praktiken der Alltagskultur, mit denen sich Menschen die Stadt aneignen, das Ewige profanieren und verwandeln, und aus dem auratischen Ort einen kulturellen, politischen und medialen Raum ständiger Transformationen machen.
Prof. Emilio Gentile
Faschismus aus Stein
Prof. Emilio Gentile
Faschismus und Rom – eine unauflösbare Verbindung. Bis in die Gegenwart hallt die faschistische Ideologie in den Baudenkmälern, Gebäuden und den Wohnsiedlungen der Hauptstadt wider. Nach seinem Aufstieg an die Macht begann Mussolini mit der Zerstörung der Stadt, um den faschistischen Mythos von Rom und seine Abscheu vor der Demokratie in die städtische Realität einzuprägen. Emilio Gentiles Vortrag wird - mit Fotos - illustrieren, wie die unsterbliche Legende von Rom umgestaltet wurde, um den politischen Zielsetzungen zu entsprechen.
Nicola Muscogiuri
Rom, die EU und das Mittelmeer - Von der Vergangenheit bis in die Zukunft
Nicola Muscogiuri
Man vergisst oft, dass ungefähr 50 Prozent der europäischen Bevölkerung in den südeuropäischen Ländern angesiedelt sind und dass die ursprünglichen Geschichts- und Handelsbeziehungen ebenfalls dort verortet sind. Die Ausführungen von Muscogiuri werden versuchen zu zeigen, dass Rom im Laufe der Jahrhunderte seine zentrale europäische Lage zwischen Osten und Westen aufrechterhalten hat, zuerst als Imperium, dann als Schnittstelle zwischen Nord und Süd, dem Weltlichen und Sakralen, dem Christlichen und Muslimischen. Aus diesem Grund wird man den Ausgangspunkt in die Vergangenheit legen, um Rom in das Zentrum der westlichen und orientalischen Kultur stellen zu können. Die Thematik Rom und das Römische Reich – beide untrennbar miteinander verbunden – verdeutlicht, warum die italienische Hauptstadt für so unterschiedliche aber gleichzeitig so ähnliche Religionen empfänglich war. Die Analyse der europäischen Herausforderung bezüglich der Türkei wie der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Mittelmeerraums allgemein, bedeutet sich mit der Rolle auseinanderzusetzen, die Rom spielen könnte, sollte es jede Form von Intoleranz beseitigen. Die Überzeugung und die Anerkennung der geostrategischen, kulturellen, sozioökonomischen und kommerziellen Wichtigkeit der Stadt Rom zwischen den Ufern des Mare Nostrum stammen aus diesem Kontext. Es ist die Kenntnis der europäischen wie der Riviera-Länder, die die Ewige Stadt wieder zu einer Schnittstelle zwischen zwei Welten machen könnte.
Prof. Paolo Pezzino
Erinnerungs- und Vergessenheitspolitik in der Konstruktion des demokratischen Italiens
Prof. Paolo Pezzino
Die Annahme, eine Gesellschaft könne ohne kulturelles Gedächtnis nicht existieren, ist weit verbreitet: Eine Auswahl an Erinnerungen zu bewahren und diese an die nächste Generation weiterzugeben, dient dazu, eine sinnvolle Vergangenheit weiterzugeben. Dadurch wird ein Komplex von Riten und Werten erhalten und gestützt, der für ein Volk bezüglich der eigenen Identität und des erlebten Schicksals sinnstiftend wirkt. Allerdings ist der Auswahlprozess, was in welcher Form erinnert wird, eng mit dem des Vergessens verbunden, wie Friedrich Nietzsche in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen (1873) anmerkt: „Es ist aber ganz und gar unmöglich, ohne Vergessen überhaupt zu leben […] alles das hängt […] davon ab, dass man eben so gut zur rechten Zeit zu vergessen weiß, als man sich zur rechten Zeit erinnert, davon dass man mit kräftigem Instinkte herausfühlt, wann es nötig ist, historisch, wann unhistorisch zu empfinden. […] Das Unhistorische und das Historische ist gleichermaßen für die Gesundheit eines Einzelnen, eines Volkes und einer Kultur nötig.“ In diesem Prozess der Auswahl wird modifiziert, neu erfunden und gestrichen; demnach erfordert eine ambivalente Vergangenheit selektives Vergessen, vor allem am Ende eines Krieges, wenn der Gegner nicht als Feind, sondern vielmehr als Vaterlandsverräter betrachtet werden muss, um sich als Volk von ihm distanzieren zu können. In einer solchen Situation ist es für ein politisches System schwierig seine Legitimationsgrundlage aus dem Sieg über diesen Bürgerkrieg zu ziehen. Dabei wird häufig den Besiegten nicht zugestanden Teil des kulturellen Gedächtnisses zu sein. Das Beispiel Italien, das eine derartige Identitätskrise vom 8. September 1943 bis zum 2. Juni 1946 erlebt hat, verdeutlicht den Umgang mit historischen Kontinuitätsbrüchen, deren bewusste Vernachlässigung in Konfliktsituationen notwendig erscheint. Es ist unvermeidbar, dass die politische Autorität gegensätzliche Erinnerungen in das „öffentliche“ Gedächtnis einfließen lässt, um eine gemeinsame Identität auszubilden. In diesem Prozess der Erinnerungsbildung nimmt das Bewusstsein von Vergessen eine ebenso wichtige Rolle bei der Tradierung der historischen Ereignisse ein.